Klingt Vinyl wirklich besser?

Die Google-Suche nach dem oben stehenden Titel bringt etwa 1 Mio Einträge zutage. Klar, relevant ist nur ein Bruchteil, aber dennoch bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Vinyl trotz Aufwärtstrend ein Nischendasein fristet. In diesem Beitrag versuche ich aufzuzeigen, was es mit dem «Vinyl-Klang» der Schallplatte, den Unterschieden zum Streaming und dem Musikhören im Allgemeinen auf sich hat.

Technisch: 1:0 für digitale Musik

Beginnen wir mit dem Messbaren: digitale, hochaufgelöste Musik (siehe auch den Blogbeitrag über die Streaming-Dienste) ist der Schallplatte in technischer Hinsicht haushoch überlegen. Bei Frequenzbereich, Dynamikumfang und Verzerrungen liegen Welten zwischen den Messwerten.

Zuerst die Messwerte der Schallplatte:

  • Frequenzumfang: 20 – 20.000Hz

  • Dynamikumfang: 50 – 60dB

  • Verzerrungen: 0,2% (bei 1kHz)

…und jene von digitalen Quellen:

  • Frequenzumfang: 5 – 45.000Hz

  • Dynamikumfang: 120 dB

  • Verzerrungen: 0,003% (bei 1kHz)

(alle Angaben ohne Gewähr!)

Klangeindrücke: Shit, nicht messbar!

Könnten wir einfach mal schnell ein Messgerät aufstellen und damit zweifelsfrei sichtbar machen, was «gut klingt»? Nein, zum Glück nicht! Denn was gibt es schöneres, als mit Gleichgesinnten endlos darüber zu diskutieren, weshalb einem dieser oder jener Klang so gut gefällt? Eben.

Ob nun die gute alte Schallplatte besser klingt als die hochaufgelöste digitale Musikquelle, lässt sich so nicht klar beschreiben. Doch oft klingt die Wiedergabe einer sorgfältig produzierten Schallplatte mit einer Top-Abhörkette deutlich atmosphärischer, räumlicher, lebendiger und dadurch realistischer als die selben Titel gestreamt. Gleichzeitig kann es als störend empfunden werden, dass die Titel gegen Ende einer Schallplattenseite stärker verzerrt wiedergegeben werden durch den kleineren Radius und die abnehmende Abtastgeschwindigkeit.

Und dann gibt es einfach Musik, die nicht anders als auf Vinyl gehört werden kann, einfach weil sie genau für die optimale Wiedergabequalität der Schallplatte (und vermutlich der gesamten analogen Produktionsschiene) produziert wurde. Diese Musik klingt digital irgendwie so, als wäre ein Schwarzweiss-Film nachträglich koloriert worden.

Erlebnis

Vermutlich ist es mit dem Sound von Vinyl ganz ähnlich wie mit der Analogfotografie, die bei jungen Menschen plötzlich auch wieder im Trend ist: Es geht primär schon um das Ergebnis (in Fall von Vinyl Musik), doch viel trägt das Gesamterlebnis zum Trend bei. Plattenläden sind gerade in Schweizer Städten gegenüber den 80ern eine echte Rarität geworden. Während unsere Generation (ich habe Jahrgang 68) quasi von Plattenladen zu Plattenladen stolpern konnte, das Angebot in einem besser als im anderen, Nice-Price hier und Sonderangebote da, fällt dies heute eben unter die Kategorie «Einkaufserlebnis». Wenn es sich nicht gerade um den Oldies Shop (Bern) mit seinem überbordendem Angebot handelt, konzentrieren sich die verbliebenen oder wiederauferstandenen Record-Stores auf Nischen und Spezialitäten. Vinyl einzukaufen – egal ob Second-Hand oder neu – macht einfach Spass. Kleiner Tipp: ich suche in jeder Stadt, die ich bereise, die Record-Stores. Die Besuche sind immer sehr interessant!

Haptik

Ein Longplayer hat je nach Ausführung und Cover ein Gewicht von etwas um die 200 Gramm. Die Scheiben gibts nebst dem mehrheitlich schwarzen Vinyl auch in vielen verschiedenen Farben, manchmal auch gemischt (meistens als Sondereditionen in kleinen Stückzahlen). Das Cover ist von der einfachen Hülle bis zum aufwändigen Gatefoldcover in jeder erdenklichen Variante gestaltet. Durch die Verpackung erhält die Musik eine zusätzliche Bedeutung, einen höheren Wert. Die besondere Haptik beginnt schon beim Aussuchen eines Albums, findet ihre Fortsetzung dann im Auflegen der Schallplatte auf den Plattenteller und dem langsamen Absenken der Abtastnadel, bis die Musik erklingt. Sich hinsetzen und vielleicht die Lyrics auf dem Cover lesen - dank dessen Grösse ist übrigens auch die Schrift ohne Lupe zu entziffern.

Emotionen

Das Album bzw. die LP wurde insbesondere in den 70er Jahren von vielen Bands als Kunstform entdeckt und entsprechend zelebriert. Die Abfolge und Länge der Titel wurden auf die Möglichkeiten der Schallplatte ausgerichtet, oft wurde durch den Aufbau auch eine zusätzliche Geschichte erzählt oder eine bestimmte Stimmung transportiert. Beispiele gibt es viele: Dark Side of the Moon von Pink Floyd oder Quadrophenia von The Who, um nur zwei zu nennen. Ein gutes Album fesselt dich am Hörplatz fest, nur zum Wenden der Platte stehst du auf. Mit dem Aufkommen der Streamingdienste hat das Album an Bedeutung verloren, weil die Titel einzeln und nicht mehr zwingend in der vom Künstler vorgesehenen Folge wiedergeben werden. Und was das Digitale auch nicht kann: Das Album als Gesamtkunstwerk macht sich ganz gut als Sammlerobjekt – je mehr, umso besser.

Und was ist jetzt?

Nun gut, die im Titel gestellt Frage kann so nicht mit ja oder nein beantwortet werden. Vinyl klingt wärmer, natürlicher, «musikalischer» um diesen schwammigen Begriff zu nutzen. Demgegenüber ist das Digitale präziser, dynamischer, ohne Verzerrungen und Störungen. Vinyl ist wie beschrieben mehr als nur der Klang, es widerspiegelt den Wert der Musik und die Wertschätzung gegenüber dem Künstler und seinem Kunstwerk. So gesehen ist das Gesamtpaket «Vinyl» in vielerlei Hinsicht der bessere Tonträger als Streaming von digitaler Musik.

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