Listening Bars – ein Trend aus Japan
Im Japan der 1950er Jahre entstanden Cafés, um gemeinsam mit Freunden Musik zu hören – so genannte Listening Bars oder Jazz Kissas. Zentraler Teil dieser Listening Bars war und ist die Konzentration auf beste Soundqualität begleitet von auserlesenen Getränken und guten Speisen. Vor einigen Jahren kam die Idee in die USA, England und Kontinentaleuropa.
Dabei spielten in den ursprünglichen japanischen Listening Bars oder Jazz Kissas (kleine Kaffeehäuser, die Jazz-Musik abspielen) die Speisekarte und die Einrichtung nur eine untergeordnete Rolle. Die Qualität des Soundsystems und die abgespielte Musik standen im Zentrum. Oft war und ist es während der Hörsessions nicht gestattet zu sprechen und kam damit der eigentlichen Idee, einzigartige Orte für die Konzentration auf die Musik zu sein und als Gemeinschaft zusammenzukommen, sehr nahe.
Mit den Jahren wurde das Konzept insofern etwas gelockert, dass das Sprechen nun oft erlaubt (oder geduldet) ist und der Fokus sich auf das Ambiente der Räume, das Getränke- und Speiseangebot ausgedehnt hat, ohne den zentralen Aspekt der Klangqualität zu verwässern. Geblieben ist glücklicherweise auch, dass fast nur Musik ab Vinyl abgespielt wird. Und Jazz spielt insbesondere in den japanischen Jazz Kissas eine zentrale Rolle. Übrigens auch nachzulesen in den Romanen von Haruki Murakami, welcher in den 70er-Jahren in Tokyo eine eigene Jazz-Bar betrieb, welche in seinen Büchern oft eine Nebenrolle erhält.
In unserem Zeitalter von hochkomprimierter, überall verfügbarer, immer austauschbarer und über Ohrstöpsel konsumierter Popmusik gibt es eine Sehnsucht danach, Musik unverfälscht und mit all seinen Facetten und Details bewusst konsumieren zu können. Hinzu kommt auch eine in den letzten paar Jahren verschobene Ausgehkultur: weniger laut und schrill und viel, dafür qualitativ besser, «nachhaltiger» und mehr Quality Time mit seinen Freunden. Voilà, das Konzept der Listening Bars bietet sich mit Nachdruck an. Begonnen hat es ausserhalb Japans mit den USA, gefolgt von England und seit einigen Jahren auch in Deutschland, den Niederlanden und dem übrigen Europa.
Witziges Detail am Rande: seit der Gründung von Lauschmittel führen wir regelmässig Events in unserem Atelier durch, die dem Ideal der Listening Bars ziemlich nahe kommen. Notabene ohne, dass mir dieses Konzept damals bekannt war.
THE MUSIC BAR -CAVE SHIBUYA- © the music bar
Zentrale Komponenten der Listening Bars ist die Musik-Anlage und oft auch die Vinyl-Sammlung. Ziel ist es, dass die Klangqualität überall in der Bar so hoch wie möglich ist. In den kleinen Jazz Kissas in Tokyo, wo die Platzverhältnisse generell sehr limitiert sind, ist dies auch mit weniger Aufwand machbar. Grössere Listening Bars hingegen investieren viel in High-End-Anlagen, da können schon mal Gerätschaften für hohe fünf- oder sechsstellige Summen im Einsatz stehen. Beispielsweise stehen im THE MUSIC BAR im Tokyoter Stadtteil Shibuya zwei Tannoy Westminster, angetrieben von McIntosh-Elektronik, eingehüllt in eine eindrückliche Vinyl-Sammlung. Allerdings stellt die erwähnte Bar in Shuibuya mit ihrem Brooklyn-Chic eher eine Ausnahme dar – Listening Bars in Tokyo sind oft einfach eingerichtet, klein und vollgestopft mit vielerlei Krimskrams.
Billie's Bar, Chiba, Japan © Katsumasa Kusunose
Hingegen scheinen gerade die Leder-Holz-Messing-Stile bei den nun auch hierzulande aufkommenden Listening Bars das Mass der Dinge zu sein. Ein schönes Beispiel ist glücklicherweise ohne Flugreise rund um die halbe Kugel zu erreichen: Kasheme in Zürich steht den japanischen Vorbildern in nichts nach und lockt nebst Musik in schönem Ambiente mit einem attraktiven Rahmenprogramm und musikalisch inspirierten Drinks.
Mehr über Listening Bars…
…kannst du auf den folgenden, handverlesenen Blogs und Seiten erfahren:
Tokyo Weekender: Tokyo Vinyl Culture and Where to Truly Enjoy It
Hypebeast: 'Tokyo Jazz Joints' Spotlights Japanese Jazz Kissa Culture
The Guardian: Bar Martha, Tokyo, where the customer isn’t always right
45rpm.ch: My favourite audiophile bars that I haven't visited (yet)
Resistor Magazine: The Lost Art of Jazz Kissa Revealed in Two New Books