Test: Octavio AMP mit Tannoy Eaton – Mission Impossible?
Spezielle Anforderungen erfordern spezielle Lösungen – und befördern manch eigenartige Paarungen zutage. So auch in diesem Fall geschehen. Bevor ich die Paarung beim Kunden installiere, will ich sie einem möglichst realitätsnahen Test unterziehen. Erfahre in diesem Beitrag, welches die Anforderungen und Problemstellungen sind, welche Ideen ich hatte und was nun beim Test einer exotisch anmutenden Kombination herausgekommen ist – ist es eine Mission Impossible?
Die ewige Frage: wie passt eine sehr gut klingende Stereoanlage in den Wohnraum?
Und schon sind wir mitten in der Problemstellung: in einen geschmackvoll gestalteten Wohnraum soll eine Stereoanlage so integriert werden, dass sie sich möglichst gut einfügt, wenig Platz beansprucht, einfach in der Bedienung ist und so gut wie möglich klingt. Zudem soll das Teil die nächsten zig Jahre Freude bereiten. Ach ja, und auch wichtig: der Wohnraum ist ziemlich gross und die Musik soll auch am Esstisch am anderen Ende des Raums bei Zimmerlautstärke noch gut klingen.
Experimente wagen, um die beste Lösung zu finden
Nach einer ausführlichen Besichtigung, Ausmessen der Einrichtung (wo zum Henker sollen die Kabel durch?) und eingehender Diskussion der Möglichkeiten einigen wir uns auf das folgende Experiment: wir kombinieren die ausgezeichneten Tannoy Eaton mit dem superkompakten Octavio AMP mit integriertem WLAN-Streamer in der Ausführung 32V. Die Boxen werden aber nicht frei aufgestellt, sondern im Regal integriert. Ich weiss, der Horror jedes und jeder Audiophilen. Auf der anderen Seite aber einer der Kompromisse, um die Anlage überhaupt ins Wohnzimmer zu bringen.
Mission Impossible – Class-D Amp an hocheffizienter Oberklassebox
Die Tannoy Eaton ist ein kompakter Lautsprecher mit dem legendären 10-Zoll Dual Concentric Chassis und zwei Bassreflexöffnungen auf der Frontseite. Sehr schön gemacht in Nussbaum mit schwarzer Schallwand und brauner Stoffabdeckung. Erinnert bewusst an die Studiomonitore der 70er Jahre, mit denen viele unvergessliche Hits aus dieser Zeit in den Aufnahmestudios abgemischt wurden.
Gemäss Tannoy ist die Eaton also die Neuauflage dieser Klassiker mit neuster Technologie. Ich kenne die Eaton aus anderen Einsätzen mit «ausgewachsenen» Verstärkern und weiss daher, dass sie einen ausgezeichneten Wirkungsgrad haben. Im Prinzip also eine gute Voraussetzung für den Einsatz mit einem kompakten Verstärker.
Bei diesem Verstärker handelt es sich um den Octavio AMP mit der 32 Volt-Speisung und integriertem WLAN-Streamer. Er hat sich schon in anderen Tests durch gute Verarbeitung, sehr gute Streamingfähigkeiten und überdurchschnittlichem Klang hervorgetan. Dieser Verstärker ist ein Class-D-Gerät – eine Technik. welche sich in erster Linie durch minimale Baugrösse und kleinen Stromverbrauch auszeichnet. Beste Klangeigenschaften werden in der Regel den Geräten der Class-A oder -AB zugeschrieben, welche entsprechend gross und schwer sind. Class-D wird nicht automatisch mit guten Klangeigenschaften gleichgesetzt. ABER: der Octavio AMP ist eben viel mehr als «nur» ein Verstärker – er unterstützt viele hochwertige HiRes Musikquellen, kann AirPlay 2, unterstützt Qobuz in Masterqualität, besitzt einen ARM Cortex-A53-Prozessor und – was besonders optimistisch stimmt – einen hochwertigen DAC (basierend auf dem PCM1798).
Und was für diese Bauform eine absolute Ausnahme darstellt: richtige, massive Lautsprecherklemmen. Da sind bei Octavio ein paar junge Leute am Werk, die audiophiles Blut in ihren Adern haben :-)
Ich bin also mehr als gespannt, wie sich die gewagte Kombination in der Praxis bewährt – oder eben nicht.
Klangerfahrungen
Wie gesagt, die Tannoys sind alles andere als optimal aufgestellt: in einem Regal, etwa 10cm von der hinteren Wand entfernt, rund 5 bis 20 cm von den Regalwänden seitlich entfernt. Nahe (zu nahe!) am Fussboden. Zwischen den Boxen ist ein Abstand von knapp zwei Metern. Nicht optimal für den Klang, aber optimal für das Wohnzimmer. Kompromiss eben. Die Hörplätze sind links und rechts der optimalen Achse, ein Platz ist schön im Sweetspot gelegen. Die Klangeindrücke stammen von allen drei möglichen Positionen.
Gleich zu Beginn die Überraschung: Octavio AMP und die Tannoys harmonieren unglaublich gut! Und das liegt nicht daran, dass ich eigentlich keine grossen Erwartungen hatte, schliesslich spreche ich hier von einem Verstärker, der alleine von der Preisklasse her etwa einen Zehntel meines «grossen» Verstärkers ausmacht. Aber eben, Erwartungen sind da, um entweder enttäuscht oder übertroffen zu werden. Octavio AMP und Tannoy Eaton übertreffen diese Erwartungen bei Weitem! Trotz der bewusst schlecht gewählten Aufstellung macht es mit dieser Kombination sehr viel Spass, stundenlang, in allen möglichen Lautstärken und von fast jeder Position auch ausserhalb des Sweetspots Musik zu hören. Liegt es an der gewählten 32 Volt-Speisung und am sehr guten Wirkungsgrad der Eaton, dass auch Partylautstärke ohne nennenswerte Abstriche in der Qualität möglich sind?
Einfach um die Neugierde zu zügeln: wie krass fällt der direkte Vergleich zu meiner Referenz-Elektronik Luxman L-505uXII mit Vincent DAC-7 und dem preisgekrönten WLAN-Streamer Octavio STREAM aus? Um es sich vor Augen zu führen: diese Geräte kosten mitsamt hochwertigen Kabeln dazwischen gegen 9’000.- CHF, der Octavio AMP dagegen nur ein Bruchteil davon. Und tja, der Octavio AMP klingt so gut, dass die Unterschiede nicht so krass ausfallen wie der Preisunterschied. Klar, die «grosse» Anlage besitzt mehr Tiefe, mehr Körper, bessere Räumlichkeit, etwas mehr Druck in tiefen Lagen, insgesamt ein noch ausgewogeneres Klangbild, sehr präzise Stimmabbildung, etc. Aber hey, eben nicht 10mal besser!
Fazit – Mission Possible?
Die gewagte Kombination aus Octavio AMP und Tannoy Eaton ist die Antwort für Musikfreundinnen und -Freunde, die ihre Wohnung nicht mit einer ausgewachsenen Anlage vollstellen, aber dennoch von einer sehr guten Klangqualität profitieren möchten. Schön dabei ist auch, dass die Tannoy erfreulich effizient ans Werk geht, was dem Octavio AMP sehr zugute kommt. Er kann auch mithalten und wirklich viel Spass vermitteln, wenn es auch mal laut sein muss.
Stellt sich bei mir (und vermutlich vielen Musikfreunden) die Frage, ob nicht noch etwas mehr geht? Denn der Octavio AMP ist mit einem externen 32V-Netzteil ausgestattet, das leicht gegen ein anderes Modell getauscht werden kann – beispielsweise einem Akku-Netzteil oder so? Wenn das Ding schon mit dem 0815-Netzteil so zu überzeugen vermag, wie klingt dann der kleine Franzose mit einer «erwachsenen» Speisung? To be continued…
Wo kaufen?
Die beiden Produkte sind im Shop erhältlich: Tannoy Eaton und Octavio AMP