CD vs. Streaming vs. Vinyl
Kürzlich führte ich ein Experiment durch. Ich wollte wissen, wie sich die drei Formate CD, Hi-Res-Streaming und Vinyl klanglich unterscheiden. Dazu lud ich einen Freund ein, denn vier Ohren hören ja bekanntlich mehr als zwei. Wir wollten nicht herausfinden, welcher Tonträger «besser» klingt, sondern eher versuchen, die unterschiedlichen Klangcharaktere herauszuhören.
Die Anlage
Die Anlage für das Experiment besteht aus folgenden Komponenten:
Lautsprecher: Tannoy Kensington GR
Vollverstärker: Luxman L-505uXII
DAC: Vincent DAC-7
CD-Player: Standardgerät über optischen Anschluss auf DAC
Streaming: WLAN-Streamer über optischen Anschluss auf DAC
Plattenspieler: Thorens TD 1600
Tonabnehmer: Benz Micro ACE SL
Durch den Anschluss des CD-Players und des Streamers via optischem Toslink-Kabel an den DAC können wir sicherstellen, dass das digitale Signal für beide Quellen identisch umgewandelt wird. Für den Plattenspieler vertrauen wir auf die im Luxman L-505uXII eingebaute Phono-Vorstufe. Die Lautstärke der drei Quellen pegeln wir manuell nach Ohr ein.
Die Tonträger
So viel zur Technik. Nun zu den Tonträgern. Die Auswahl ist uns schwergefallen, weil es unglaublich viel gut klingende Musik gibt. Schlussendlich hat unser nicht mehr sehr üppige Bestand an CDs den Ausschlag gegeben und die Tatsache, dass wir beim Streaming nur mit Tracks in Master-Qualität vergleichen wollen. Der Streaming-Dienst unserer Wahl ist Qobuz.
Leonard Cohen – Old Ideas
Die ersten Titel sind auf dem Album Old Ideas von Leonard Cohen. Wir starten mit der CD, wechseln dann auf Streaming in 24-Bit und schliesslich auf Vinyl. Die Stimme von Cohen hat auf dem Track «Show Me The Place» einen typisch sonoren Unterton und bei S- und Zischlauten einen Hang zur Schärfe, vermutlich weil die ersten Songzeilen beinahe ins Mikro geflüstert wurden. Piano, Violine und die Stimme von Cohen sind sauber im Raum platziert. Auf der CD hat seine Stimme einen leicht harten Einschlag, auch wirken die Zischlaute störend scharf; die Violine klingt etwas verwischt. Nach dem Wechsel auf die gestreamte 24-Bit-Version ist die Stimme etwas wärmer, wenn auch immer noch mit einer gewissen Schärfe. Die Violine klingt ein wenig präsenter, auch Jennifer Warnes im Background rückt etwas weiter nach vorne, die Räumlichkeit ist insgesamt etwas mehr in die Breite gezogen. Nun legen wir Vinyl auf – und staunen. Der Klang ist sehr nahe an der gestreamten Version, insgesamt wirken die Stimmen sogar noch einwenig plastischer, die Schärfe ist ganz weg. Und irgendwie klingt es berührender/natürlicher? Schwierig, das in Worte zu fassen. Der Eindruck verstärkt sich noch, wenn wir die Versionen parallel abspielen und hin und her schalten.
Wir nehmen uns den nächsten Titel «Darkness» vom selben Album vor und starten wiederum mit der CD-Version. Dieser Song startet mit Akustik-Gitarre und Keyboards, um dann auf volle Instrumentierung anzuwachsen. Der leicht metallische Beiklang und die Schärfe in der Stimme von Cohen sind auch auf diesem Track auf CD vorhanden, die Räumlichkeit ist in Ordnung. Der Wechsel zur 24-Bit Master-Qualität ist hier deutlich hörbar. Der Detailreichtum ist enorm, die räumliche Abbildung in der Breite viel weiter als bei CD. Die Schärfe bleibt, aber der metallische Beiklang in der Stimme ist weg. Ganz am Schluss des Tracks kommt noch eine Rassel an ganz linken Rand der imaginären Bühne hinzu die wirkt, also würde ein Scheinwerfer genau auf diesen Punkt strahlen. Auf Vinyl schrumpft die Bühne in der Breite, dafür gewinnt sie an Tiefe. Es wirkt wieder etwas intimer und wärmer, vielleicht realer, so als sässe man im Plüschsessel in einem Club nahe an der Bühne. Die oben erwähnte Rassel ist nicht mehr im Scheinwerferlicht.
Benjamin Clemetine – At Least For Now
Die nächsten Titel stammen vom phantastischen Album At Least For Now des Künstlers Benjamin Clementine. Clementine ist ein aus London stammender Musiker, der sich mit 20 auf den Weg nach Paris gemacht hat, um sich dort als Strassenmusiker in den Gängen der Metro seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Agent entdeckte ihn, und so kommen wir jetzt auch in den Genuss dieser aussergewöhnlichen Stimme, ohne auf den Strassen von Paris danach zu suchen. Der Titel «The People And I» beginnt mit Gesang, Piano und Cello und schliesst mit ziemlich viel Punch ab. Auf der CD-Version kommt wenig Freude auf, es klingt irgendwie zu hart und zu laut und entspricht nicht dem, was ich im Ohr habe oder zu haben glaube. Nach dem Wechsel auf die 24-Bit Version von Qobuz macht es wieder Freude: die Härte in der Stimme ist weg, dafür kommt ein zuvor nicht gehörtes «Glitzern» in das Klangbild, Benjamin Clementine ist grösser geworden (vielleicht sogar etwas zu gross?) und die Instrumente sind besser gezeichnet, auch feinste Details des Cellos treten zutage. Im letzten Viertel des Stücks ist enorm viel Punch drin, der Raum klingt jetzt nach grosser Halle, die Präzision der Beckenanschläge ist top. Beim Vinyl schrumpft die Bühne wieder etwas in der Breite und es wirkt eher so, als würde die Musik in einem alten Theatersaal mit viel Holz gespielt. Es glitzert weniger, dafür haben die Stimme und das Cello einen Schmelz erhalten, der für mehr Natürlichkeit sorgt.
Neil Young – Harvest
Beim letzten Album bin ich voreingenommen, weil ich die neuste Vinyl-Pressung von 2011 (NYA/Warner Records) überragend finde: es handelt sich um Harvest von Neil Young. Wie schlägt sich diese Pressung gegen die CD- und Master-Version in 24-Bit/192 kHz? Heart Of Gold wurde am 6. Februar 1971 im Quadrofonic Studios in Nashville spontan aufgenommen, nachdem Neil am Vorabend anlässlich eines Dinners mit den beiden Produzenten Mazer und Roberts übereinkam, am nächsten Tag mit einer Reihe von Top-Studiomusikern, James Taylor und Linda Ronstadt ein paar Songs einzuspielen. Die Musiker hatten zuvor nie mit Young zusammengespielt, trotzdem wurde Heart Of Gold in nur zwei Takes eingespielt - und genau diese Spontaneität hört man dem Song an. Auf der CD-Version klingt der Song gut, nichts stört oder zwickt. Erst der direkte Vergleich zeigt, was wirklich in dieser 50-jährigen Aufnahme steckt: die Räumlichkeit bei der Master-Version ist sowohl in der Tiefe wie auch in der Breite besser, der Detailreichtum ist besser, die einzelnen Instrumente sind deutlicher gezeichnet. Der Unterschied zu Vinyl ist hier nicht so offensichtlich, ausser dass der Plüschsessel-Eindruck wie bei Cohen wieder in Erscheinung tritt – allerdings steht der Plüschsessel diesmal in einer Scheune mit Holz und Stroh.
Fazit
Musik und Klang sind glücklicherweise Geschmacksache, und darüber streitet man nicht. Mein Fazit ist somit persönlich gefärbt, viele der geschilderten Klangeindrücke sind auch in der Diskussion entstanden – weil es meines Wissens kein Vokabular gibt, das «Klang» beschreibt. Somit sind die geschilderten Eindrücke vielleicht gar nicht nachvollziehbar. Und schon gar nicht, wenn man den direkten Vergleich nicht hat. Kein Grund also, seine CD-Sammlung ins Brockenhaus zu bringen. Aber vielleicht ein Grund, vermehrt das Medium Vinyl beim Kauf von Tonträgern zu berücksichtigen? Denn Vinyl klingt – guter Plattenspieler vorausgesetzt – wirklich sehr gut. Wenn nicht besser, so doch natürlicher und viel näher an Live-Erlebnis als die anderen Formate. (Und Vinyl hat viele andere Vorteile, lies hier weiter.)
Und vielleicht auch ein Grund, beim Streaming nur noch Anbieter wie Qobuz oder Tidal zu berücksichtigen, die Master-Qualität ohne Aufpreis anbieten und die Künstler fair bezahlen? Denn das lohnt sich auf jeden Fall. Bewusst haben wir darauf verzichtet, das Experiment noch mit Billig- oder Gratis-Streaming mit MP3 zu wiederholen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden ;-)
Übrigens: Bei Interesse können wir das Experiment im Showroom gerne wiederholen. Just ask!
Lauschmittel ist…
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